Nico und seine Mama über Herausforderungen im Alltag – und mit einer wichtigen Botschaft
Man könnte es sich leicht machen.
Man könnte sich zuhause verkriechen, wenn man vor einer Herausforderung steht. Vor einem Problem, für das es noch keine maßgeschneiderte Lösung gibt. Das man selbst lösen muss.
Man könnte Panik bekommen – zum Beispiel aus Sorge, dass Autofahrer hupen und schimpfen könnten, weil man länger braucht, um die Straße zu überqueren.
Diese Situationen gibt es zuhauf, natürlich. Panik, Angst, Resignation können dann Kopf und Herz beherrschen.
Doch diesen Gefühlen aus dem Weg zu gehen – das ist nichts für unseren Nico und seine Mama.
Sie machen es sich nicht leicht.
Sie lernen und lehren, wie Nico eine Straße überqueren kann. Selbst wenn er in seinem E-Rolli manchmal länger braucht. Und Autofahrer hupen und schimpfen könnten.
Sie verkriechen sich nicht zuhause. Sie lernen ihr Leben mit all seinen besonderen Herausforderungen anzugehen.
Denn wichtig sind für Nico positive Erlebnisse, kleine Erfolge in Alltagssituationen, die für andere selbstverständlich sind. Im Video seht und hört Ihr, wie Nico mit seinem E-Rolli mithilfe der Rampe selbstständig von der Terrasse ins Haus kommt – und wie stolz ihn das macht. 💚
Einige von Euch haben uns gefragt, wie Nico ebendiese Alltagssituationen meistert. Heute möchten er und seine Mama in einem neuen Teil unserer kleinen Reihe über Nico und sein Leben einen kleinen Einblick geben – verbunden mit einer wichtigen Botschaft.
„Unvorbereitet in Situationen zu gehen, funktioniert selten“, erzählt Nicos Mama. „Wir benötigen eine ganz andere Planung, um Nico so viel Normalität wie möglich zu bieten.“ Denn Mama und Papa helfen Nico bei so ziemlich allem. Sie helfen ihm seinen Körper zu drehen; sie reichen ihm Spielzeug, das fast direkt vor ihm liegt, das er aber nicht greifen kann; sie halten ihm seinen Trinkbecher… Auch essen ist mit seiner Essstörung alles andere als einfach. Dazu kommen so viele Termine, die andere nicht haben, wie unzählige Besuche in verschiedenen Arztpraxen und Kliniken.
Auch eine Geburtstagsfeier, ein Kaffeetrinken oder ein Urlaub funktionieren nicht ohne intensive Planung. Wegen der Barrieren, die aufgrund von Nicos Krankheiten entstehen. Da sind natürlich die baulichen Barrieren, die Nico mit seinem E-Rolli schwer oder gar nicht überwinden kann.
Dann gibt es die Barrieren, die in den Köpfen einiger Menschen bestehen – nicht immer aus böser Absicht, sondern oft aus Hilflosigkeit, Unsicherheit und Unwissen.
👉 Wie bei den besagten Autofahrern, die ungeduldig werden – und die dann sogar schimpfen und hupen könnten. Selbst bei Zebrastreifen. Nico und seine Mama schauen schon nach großen Lücken im Verkehr, doch Nico braucht seine Zeit. Und freut sich dann riesig, wenn er erfolgreich die Straße überquert hat. Das stärkt sein Selbstbewusstsein immens.
👉 Oder wenn Nico mit seinen Lieben zum Beispiel etwas essen möchte, in einer Eisdiele oder im Restaurant. Zum Sitzen benötigt er seinen Reha-Buggy, der ihm Stabilität gibt. In einem Kinderstuhl kann er sich nicht halten. Der Reha-Buggy hat eine gewisse Größe; dementsprechend benötigt er Platz. Dass sie aus sowieso schon bestehendem Platzmangel nicht in allen Eisdielen und Co. essen gehen können, ist seiner Mama klar. Doch auch wenn genug Platz ist und auch wenn sie darauf achten, nicht den Weg zu versperren, gibt es fragende, manchmal verständnislose Blicke. ‚Muss der Buggy unbedingt mit? Muss ein so großes Kind überhaupt noch im Buggy sitzen?‘ Einige Personen erkennen nicht, dass Nico in einem Reha-Buggy sitzt und nicht in einem Kinderwagen.
„Wenn so etwas passiert, schlagen uns volle Wucht auch die fehlenden Inklusionsmöglichkeiten entgegen. Nico wird aus einem eigentlich sehr positiven Erlebnis herausgerissen“, erklärt Nicos Mama. „Das ist schade und belastet ihn.“
Doch Mama und Nico geben nicht auf, zumal es auch viele positive Begegnungen und Erlebnisse gibt. „Außerdem: Wie soll Nico etwas lernen, wie soll er selbstständiger werden, wenn er nicht draußen in der Welt üben kann?“
Dass sich ihr Mut und ihr Wille lohnt, hat sich nicht zuletzt bei einem Sommerfest gezeigt, bei dem Nico fröhlich quietschend mit seinem E-Rolli von einem Stand zum nächsten gedüst ist. Oder wie beim Besuch der Feuerwehr, als er mit dem Kran ganz weit in die Lüfte gefahren ist, im Feuerwehrauto saß oder den Löschschlauch eingesetzt hat. Ein wahnsinnig schöner Tag für Nico, für Mama und Papa. Ein Tag, der gezeigt hat, was alles möglich ist.
„Wir schenken Menschen Sicherheit, wenn wir ihnen Zeit lassen“
„Wir möchten auf keinen Fall den moralischen Zeigefinger heben“, ist es Nicos Mama wichtig zu sagen. „Wir möchten aber auf mehr Verständnis appellieren. Nicht nur für uns, sondern für alle. Oft sind wir – da zähle ich mich zu – in unserem Alltag so verankert, dass wir nicht sehen, welche Hürden andere Menschen nehmen müssen. Wir schenken Menschen Sicherheit, wenn wir ihnen Zeit lassen. Wenn wir Bemühungen erkennen, wenn wir unterstützen. Wenn wir Menschen nicht schräg anschauen, sondern mit ihnen reden. Wenn wir darauf achten, dass wir Behindertenparkplätze und -toiletten freihalten. Wenn im öffentlichen Raum – seien es Geschäfte, Restaurants, in Toiletten an Spielplätzen oder Parks – stabile und geschützte Wickelmöglichkeiten gestellt werden.“
All diese vermeintlichen „Kleinigkeiten“ können ganz große, wichtige Dinge sein. Sie führen zu mehr Solidarität. Und zu einem schöneren, unbeschwerteren Leben. Für Menschen, die selbst Lösungen finden müssen. Für Menschen, die ihren Alltag mit besonderen Herausforderungen und viel Mut angehen. Für Menschen wie Nico und seine Mama, und mit ihnen so vielen andere.